Habecks Hungerbefehl: Volk gehorcht aufs Wort
Kaum hatte Robert Habeck die Deutschen gebeten, weniger zu essen, parierten die wie |
Zwei kurze Wochen nur, eigentlich sogar nur zehn Tage. Länger brauchten die Deutschen und ihre Gäste nicht, um ihrem Klimawirtschaftsminister zu folgen. Am 23. Mai erst hatte Robert Habeck klargestellt, dass die Zeitenwende durch den Ukrainekrieg, die Lieferkettenprobleme, den Energieausstieg und die Niedrigzinspolitik der Notenbanken jähe Wendungen erfordert: "Wir sind gehalten, unseren Verbrauch von Lebensmitteln zu reduzieren», appellierte Deutschlands beliebtester Politiker an die Bürgerinnen und Bürger draußen im Lande. Anders werde es im nächsten Jahr zu einem "großen Mangel an der weltweiten Kalorienversorgung" kommen, vor allem in den Regionen, "die nicht zu den reichsten oder stabilsten gehören".
Geliebter Gegenentwurf zu Scholz
Eine Mahnung, keine Drohung. Und doch offenbar wie ein direkter Befehl für weite Teile der Bevölkerung, der der ehemalige Grünen-Vorsitzende wegen seiner ruhigen und nachdenklichen Art, komplizierte Sachverhalte verständlich zu erklären, als beispielhafter Gegenentwurf zum nordisch-karg argumentierenden Bundeskanzler gilt. Habeck macht viel mehr Worte, viel geschmeidiger aneinandergereiht, kommt aber auf den Punkt: Der Gürtel wird enger müssen, das ist aber nicht wirklich schlimm, denn Hunger ist der beste Arzt nicht nur für Zehn- bis Zwölfjährige, die heute so dick sind wie noch nie in der Geschichte dieser Altersgruppe.
Robert Habeck musste das nicht einmal zweimal sagen. Während es nach seiner früheren Forderung nach radikal höheren Preisen für Lebensmittel noch fast zwei Jahre dauerte, bis Bauern, Großhandelkonzerne und Lebensmitteleinzelhandelsketten bereit waren, spürbare Beträge auf ihre Abgabepreise aufzuschlagen, ging diesmal alles ganz schnell. Mit dem "größten Umsatzeinbruch gegenüber dem Vormonat seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1994" (Handelsblatt) zeigten Familien und Alleinlebende, dass sei bereit sind, der zeitweise als "Hungerbefehl" verspotteten Aufforderung Habecks Folge zu leisten.
Hungern als Welthungerhilfe
Ein Votum an der Supermarktkasse, das kaum eindeutiger hätte ausfallen können. Die Deutschen, sie sind bereit, ihrem Kanzler des Herzens dorthin zu folgen, wo noch niemand war, in ein Land, das dem ewigen Wachstum abschwört und sich mit dem bescheidet, was zur Erhaltung der Arbeitskraft unbedingt notwendig ist. Bestenfalls entstehen so zähe, harte Klimaarbeiter*innen, die nicht nur an der Aldi-Kasse von ihrem kargen Lebensstil profitieren, sondern auch in ihrer rudimentären Restmobilität, bei der jedes Kilo, das nicht da ist, die mögliche Erreichung neuer Horizonte und ferner Gestade verspricht.
Die Klimadiät, zugleich eine Kriegs- und Lieferkettendiät, sie verspricht einen endgültigen Abschied vom Wachstumsfetisch, vom Konsumtivismus und vom ewigen Immermehr der Wohlstandsgesellschaft, das von Konzernen und Banken über Jahrzehnte als gesellschaftliches Ziel verkauft worden ist. Die neue Innerlichkeit, für die Robert Habeck steht, das Finden des Glücks im Verzicht auf Unnötiges und die Hinwendung zu einer Form der Ernährung, die frisch ist, regional und statt am Appetit allein am körperlichen Bedarf orientiert, sie könnte zu einer Trumpfkarte Deutschlands und - sobald die anderen Partnerstaaten sich angeschlossen haben - der EU im Poker mit Putin werden, die mindestens ebenso sticht wie die bisherigen sechs weitgehenden Sanktionspakete.